Werktreue

Im nachschöpferischen Umgang mit textbasierter Kunst vergangener Epochen – Literatur, Musik – muss, da es sich ja um die Quelle jeder Beschäftigung damit handelt, die Werktreue im Mittelpunkt stehen. Besonders in der Musik wird das aber durch den Umsta ...

Man darf beim Entwickeln einer Interpretation nicht vergessen, daß früher nicht historische Beschäftigungen mit einem bestimmten Stil ausschlaggebend waren, sondern das lebendige Erleben. Historisches Informiertsein ist nicht der Zweck des Musikmachens und kann keine Bewertungskategorie sein. Das heißt aber nicht, daß heute jene historische Beschäftigung unwichtig wäre. - Im Gegenteil: Sie ist notwendig, um das lebendige Erleben der Kultur einer vergangenen Zeit nachvollziehen zu können und unserer Zeit erst einen Zugang zu schaffen, der weder museal noch akademisch ist. Dieses scheinbare Paradoxon, diese Spannung aber ist der Preis des Nachgeborenseins und der Freiheit, aus 1000 Jahren Musikgeschichte wählen zu können.

Aufführungspraxis

Es sollte nicht um „Richtig/Falsch“ gehen, sondern um „Wahr/Falsch“. Wahrhaftiges Musikmachen bedingt völlige Öffnung. Das macht verletzlich. Eine Folge der menschlich verständlichen Vermeidung dieser Verwundbarkeit im täglichen Betrieb ist die Substituierung von „Richtig/Falsch“, einem Scheinkriterium – einem mechanistischen Denken, das eine technische Voraussetzung zum Ziel erklärt und grundlegend das vormals über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende gleiche Ziel jeglicher Musikausübung verfälscht.

Musikmachen